Sterbehilfe soll Private Krankenversicherung entlasten

Private Krankenversicherung und Sterbehilfe – wie passt das zusammen, fragen sich viele Leser nach der aktuell entbrannten Diskussion. Die Themen mögen auf den ersten Blick nicht zusammenhängen und doch ist ein Streit darum entbrannt, ob Sterbehilfe zur Beitragssenkung in der privaten Krankenversicherung rechtens bzw. moralisch vertretbar ist.

PKV Sterbehilfe

Private Krankenversicherung: Sterbehilfe soll zu Beitragsstabilität führen

Das Landgericht München hat bereits in seinem Urteil Recht gesprochen. Auch die vorgelegten Fakten belegen die hohen Kosten durch lebenserhaltende Massnahmen ohne dem Ziel der Besserung oder gar Heilung. Vielmehr geht es in dieser Auseinandersetzung um richtungsweisende moralische Grundwerte. Allerdings ist der Begriff „Sterbehilfe“ hier auch differenziert zu betrachten.

PKV & Sterbehilfe: Lebenserhaltende Massnahmen sind kein Therapieziel urteilt das Landgericht München

Um den aktuellen Disput um Sterbehilfe zu Gunsten der Beitragsstabilität in der PKV zu verstehen, hilft ein Blick auf die Grundsätze: Versichert sind in der privaten Krankenversicherung demnach die medizinisch indizierten Maßnahmen, die dem Erreichen eines Therapieziels angemessen sind. Der Arzt stellt eine Diagnose und legt die Behandlung fest – die private Krankenversicherung erstattet die im Rahmen des Leistungsumfangs Versicherten die Kosten.

Medizinische Indikation nicht gegeben

Wenn aber in einem bestimmten Stadium lebensverlängernde Maßnahmen eingeleitet werden, wie beispielsweise künstliche Ernährung oder Beatmung, ohne dass ein klares Therapieziel zu definieren wäre, ist auch eine medizinische Indikation nicht gegeben – so urteilte vor einigen Wochen das Landgericht München (Az: 9 O 5246/14).

Die künstliche Lebenserhaltung an sich stellt demnach kein Therapieziel dar. Rein faktisch gesehen müsste die private Krankenversicherung in diesem Fall die Leistung verweigern, so das Urteil des Landgerichts München.

PKV Makler: Beratungspflicht zur Sterbehilfe – ein strittiges Thema

Dr. Johannes Fiala und Peter Schramm greifen diesen Punkt auf und leiten daraus eine Beratungspflicht ab – sowohl für die private Krankenversicherung als auch für einen vermittelnden Versicherungsmakler. Wenn hier aber der Begriff Sterbehilfe verwendet wird, bezieht sich das auf eine klare Willensäußerung des Betroffenen zum situationsabhängigen Behandlungsumfang, der sich in einer fundierten Patientenverfügung eingrenzen lässt.

Passive Sterbehilfe ist legal

Wird dort nämlich ausdrücklich festgehalten, dass bei einem irreversiblen tödlichen Verlauf der Krankheit die Behandlung abgebrochen werden soll, dann handelt es sich um die völlig legale passive Sterbehilfe: Die lebensverlängernden Maßnahmen werden sukzessive reduziert, das Ableben palliativ begleitet.

Je klarer und detaillierter in einer Patientenverfügung die Umstände für einen Behandlungsabbruch aufgeführt werden, desto leichter werden sich nicht nur die Angehörigen, Ärzte oder das Pflegepersonal tun. Auch fällt unter dem Strich die finanzielle Belastung für die private Krankenversicherung geringer aus. Das ermöglicht Beitragsstabilität bis hin zu Beitragssenkungen in der PKV, so Fiala und Schramm.

Ein Grund für Beitragserhöhung in der PKV: Intensivmedizin und lebenserhaltende Massnahmen

Insbesondere die Intensivmedizin zum Lebensende stellt, ganz nüchtern betrachtet, einen enormen Kostenfaktor dar, der sich nicht zuletzt in den Beitragserhöhungen der PKV niederschlägt. Dr. Johannes Fiala und Peter Schramm argumentieren nun, dass die Aufklärung zum Thema Patientenverfügung schon aus Kostengründen in die Zuständigkeit der PKV fällt.

Ein Versicherungsmakler wiederum sollte seine Kunden darüber aufklären, dass bestimmte Kosten bei fehlender Indikation nicht von der PKV übernommen werden und ebenfalls auf die Möglichkeiten der passiven Sterbehilfe hinweisen.

Private Krankenversicherung: Schadenersatz wegen Beitragserhöhung?

Darüber hinaus könnte auf der Grundlage der jüngsten Rechtsprechung ein Schadenersatzanspruch gegenüber der PKV entstehen: Beitragserhöhungen wären demnach nicht statthaft, wurden sie durch medizinisch nicht indizierte Behandlungen verursacht.

Weiteres Haftungspotenzial eröffnet sich, haben PKV und Versicherungsmakler ihren Versicherten nicht zum Thema Patientenverfügung aufgeklärt: Müssen nämlich die Hinterbliebenen einen Teil der Kosten für die lebensverlängernden Maßnahmen selbst übernehmen, dürften diese einen Adressaten für ihren Schadenersatzanspruch suchen.

Sterbehilfe: Private Krankenversicherung mit Handlungsbedarf

Die Reaktion des PKV-Verbandes auf den Beitrag von Dr. Johannes Fiala und Peter Schramm wird der Tragweite des Themas nicht gerecht. Von Abscheu und Empörung ist die Rede, die Private Krankenversicherung trete für eine menschliche Versorgung bis zum Lebensende ein.

Genau darin kann aber schon ein Teil des Problems bestehen: Folgen die Maßnahmen nicht einem Therapieziel, wäre die Erstattung nicht gerechtfertigt. Auf der anderen Seite könnten Privatversicherte zu Recht reklamieren, dass sie regelmäßig höhere PKV Beiträge bezahlen müssen, weil diese hohen Kosten zu Buche schlagen.

Patientenverfügung und Interessenausgleich

Von welcher Seite auch immer dieser Punkt betrachtet wird: Das Urteil verursacht einen enormen Handlungsbedarf. Einerseits muss das Thema Patientenverfügung intensiver aufgegriffen werden, um nicht nur für die Betroffenen und deren Angehörige selbst, sondern auch für die Versichertengemeinschaft Klarheit zu schaffen. Andererseits muss sich die Private Krankenversicherung klar positionieren, wie Sie die Kostenübernahme lebensverlängernder Maßnahmen künftig gestalten will.

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