Private Krankenversicherung: AXA Beitragserhöhung unwirksam?
Steht die Private Krankenversicherung, allen voran die AXA Krankenversicherung, vor Millionenkosten?
In einem Aufsehen erregenden Urteil hat das Amtsgericht Potsdam einem Kläger Recht gegeben, der gegen Beitragserhöhungen seiner Krankheitskosten- und Krankentagegeld-Versicherung gerichtlich vorgegangen ist. Das Urteil vom 18. Oktober 2016 (Aktenzeichen 29 C 122/16) ist allerdings noch nicht rechtskräftig und unter Fachleuten heftig umstritten.
Muss private Krankenversicherung Beitragserhöhung rückgängig machen?
Sollte das Urteil Bestand haben, könnte ein Formfehler bei den Beitragserhöhungen nicht nur die beklagte AXA Krankenversicherung, sondern die gesamte PKV-Branche hunderte Millionen Euro kosten. Die Beitragserhöhungen wären unwirksam und die Mehrkosten wären an die versicherten zurück zu erstatten.
Treuhänderverfahren für Beitragsanpassungen in der PKV
Im Versicherungsvertragsgesetz ist geregelt, dass Beitragserhöhungen in bestehenden privaten Krankenversicherungen zulässig sind, wenn die Grundlagen der Erhöhung von einem unabhängigen Treuhänder geprüft worden sind und dieser der Erhöhung zugestimmt hat (§ 203 VVG). Im Gegenzug verzichtet der Versicherer auf sein ordentliches Kündigungsrecht.
Die PKV-Versicherten haben sich an solche Beitragsanpassungen gewöhnt. Mit durchschnittlich 3,5 % pro Jahr schlagen sich medizinischer Fortschritt und demografische Entwicklungen in den Kosten der PKV nieder. Der Beitrag erhöht sich nicht, weil der einzelne Versicherte älter wird und die Gesundheitsausgaben deswegen steigen. Dafür werden Alterungsrückstellungen gebildet.
Aber dass verbesserte Medizin insgesamt ein längeres Leben ermöglicht, ist für die Krankenversicherer ein Teufelskreis – teurere Leistungen werden länger in Anspruch genommen. Hinzu kommt, dass sich die Rückstellungen weit weniger verzinsen als kalkuliert. Das hat in den letzten Jahren zu teilweise heftigen Preissteigerungen geführt.
Streit um die PKV Beitragserhöhung der AXA in 2012 und 2013
Der Rechtsstreit zwischen der AXA Krankenversicherung und ihrem Kunden entzündete sich an der Frage, ob die Beitragsanpassungen in den Jahren 2012 und 2013 tatsächlich von einem unabhängigen Treuhänder geprüft und genehmigt worden seien. Der Treuhänder hatte eine Vielzahl von Tarifen der AXA PKV zu begutachten.
Folgt man den Ausführungen des Klägers, sind für ein solches Mandat mindestens 150.000 Euro als jährliche Vergütung fällig gewesen. Nun gibt es im Handelsgesetzbuch (§ 319 HGB) eine Vorschrift, nach der ein Wirtschaftsprüfer eine Abschlussprüfung nicht vornehmen darf, wenn er mehr als 30 % seiner Einkünfte von diesem Auftraggeber erhält. Er gilt dann nicht mehr als unabhängig.
Gericht zweifelt an Unabhängigkeit des Treuhänders
Zwar ging es im verhandelten Fall nicht um einen Wirtschaftsprüfer und eine Abschlussprüfung, dennoch sah das Gericht durch den Großauftrag der AXA die Unabhängigkeit des Treuhänders als nicht mehr gewährleistet an. Selbst wenn der Treuhänder in seiner Entscheidung frei war, liegen doch Umstände vor, die das Vertrauen der Versicherten in seine Unabhängigkeit erschüttern können.
Die AXA hat zwar im Prozess vorgetragen, dass die 30-%-Grenze aus dem HGB nicht maßgeblich und im Übrigen auch nicht erreicht sei, hat aber die Einkommensverhältnisse des Treuhänders nicht offen gelegt. Insofern hielt sich das Gericht an den plausiblen Vortrag des Klägers. Danach ist angesichts des Auftragsvolumens von einer erheblichen wirtschaftlichen Abhängigkeit des Treuhänders von der AXA auszugehen.
Im Ergebnis bedeutet das, dass die Beitragsanpassungen nicht von einem unabhängigen Treuhänder bestätigt wurden und damit unwirksam sind.
AXA Krankenversicherung argumentiert mit dem Versicherungsaufsichtsgesetz
Die AXA beruft sich bei der Bestellung des Treuhänder auf das Versicherungsaufsichtsgesetz (§ 157 VAG), das sich ganz konkret auf die PKV bezieht. Der Treuhänder darf keinen Anstellungsvertrag oder Dienstvertrag mit dem Versicherer besitzen – konkretere Voraussetzungen für die Unabhängigkeit sind dort nicht genannt. Außerdem muss der in Aussicht genommene Treuhänder vor seiner Bestellung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bekannt gegeben werden.
Auch das hat die AXA Krankenversicherung getan, ohne dass die BaFin widersprochen hätte. Die Argumentation, die Versicherungsaufsicht allein sei für die Prüfung der Unabhängigkeit verantwortlich und müsse vom Versicherer nicht dargelegt werden, wird die AXA im Berufungsverfahren vortragen.
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Im konkreten Fall geht es zwar nur um rund 2.300 Euro, aber die Auswirkungen einer Entscheidung für den Kläger auch in zweiter Instanz wären enorm. PKV-Kunden müssten zwar in jedem Fall einzeln prozessieren, da die Voraussetzungen bei jedem Versicherer unterschiedlich sind. Sie könnten aber im Fall eines Siegs vor Gericht Beitragserhöhungen über bis zu zehn Jahre zurückfordern.